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AWB

Das ökologische Potenzial

Oberflächenwasserkörper, die aufgrund hydromorphologischer (struktureller) Veränderungen nicht den guten ökologischen Zustand erreichen und für die aufgrund von Nutzungskonflikten keine entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden können, können gemäß EG-WRRL als "erheblich verändert" ausgewiesen werden. 

Diese Einstufung hat zur Folge, dass andere Bewertungsmaßstäbe und damit auch Bewirtschaftungsziele, wie das ökologische Potenzial - gelten.

Ausweisung erheblich veränderter Wasserkörper

Für die Ausweisung eines Wasserkörpers als "erheblich verändert" muss ein mehrstufiger Prüfprozess durchlaufen werden, der in einer bundesweit gültigen Handlungsanleitung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser beschrieben ist. Für diese Wasserkörper kann eine Ausnahmeregelung in Anspruch genommen werden. 

1. Prüfung auf hydromorphologische Veränderungen

Damit ein Wasserkörper als "erheblich verändert" ausgewiesen werden kann, muss er in seiner Hydromorphologie verändert sein. Gemäß der Handlungsanleitung der LAWA bedeutet dies, dass die Gewässerstruktur des Wasserkörpers, insbesondere 

  • die Laufentwicklung, also Krümmung und Verzweigung des Gewässers,
  • die Breiten- und Tiefenvarianz, also die Form des Gewässerprofils,
  • die Strömungsgeschwindigkeit, 
  • die Substratverhältnisse der Gewässersohle sowie
  • die Struktur und die Bedingungen der Uferbereiche, insbesondere Uferbewuchs und Vielfalt der Ufer

sich entsprechend stark von den natürlichen Verhältnissen unterscheiden.

Ein erheblich veränderter Wasserkörper ist also z. B. kanalisiert und in Breite, Tiefe und bezüglich seiner Strömungsverhältnisse monoton. Die natürliche Vielfalt der Sohlsubstrate ist ebenso gestört wie die Vielgestaltigkeit seiner Ufer. 

Durch die Gewässerstrukturkartierung werden diese (und andere) Faktoren auf einer Skala von "1" (unverändert) bis "7" (vollständig verändert) im Vergleich zu natürlichen Gewässern bewertet.

Nur Wasserkörper, die zu einem ausreichend großen Teil (mindestens 30 %) derartig veränderte Verhältnisse aufweisen, können als "erheblich verändert" eingestuft werden und werden daher bei den nächsten Prüfschritten berücksichtigt.

2. Ermittlung der Nutzungen

Als nächstes ist zu ermitteln, welche Nutzungen für die Veränderungen der Gewässerstruktur verantwortlich sind. Die EG-WRRL und die von der EU-Kommission erarbeiteten technischen Leitfäden legen einen  Katalog von 11 Gewässernutzungen fest, für die die Ausnahmeregelung "erheblich veränderter Wasserkörper" in Anspruch genommen werden kann. Diese Liste umfasst z. B. Nutzungsarten wie Landentwässerung und Hochwasserschutz, Wasserkraft, Schifffahrt und Wasserversorgung.

Es ist also zu prüfen, bei welchen der im ersten Schritt identifizierten Wasserkörper mindestens eine dieser Nutzungen gegeben ist.

3. Erreichbarkeit des Bewirtschaftungsziels

Im dritten Schritt ist zu prüfen, ob bei den verbliebenen Wasserkörpern der gute ökologische Zustand aufgrund der hydromorphologischen Veränderungen verfehlt wird. Wasserkörper, bei denen andere Faktoren, z. B. eine Belastung durch Schadstoffe, für die Zielverfehlung verantwortlich sind, können nicht als erheblich verändert ausgewiesen werden. 

Auch Wasserkörper, bei denen durch geeignete Maßnahmen der gute ökologische Zustand erreicht werden kann, ohne dass die bestehenden Nutzungen beeinträchtigt werden, können nicht als erheblich verändert ausgewiesen werden. Es ist also zu prüfen, welche Umgestaltungsmaßnahmen erforderlich wären. Anschließend ist ihre Auswirkung auf die bestehenden Nutzungen (aus der von der EU festgelegten Liste) abzuschätzen. Sind keine Auswirkungen gegeben, kann keine Ausweisung als erheblich veränderter Wasserkörper erfolgen.

4. Wesentliche Veränderung

Als nächstes muss gezeigt werden, dass die Veränderungen des Wasserkörpers so groß sind, dass sie "das Wesen des Wasserkörpers insgesamt erheblich verändern" (aus LAWA-Arbeitshilfe, S. 11). 

Dies ist in der Regel schon aufgrund der im ersten Schritt geprüften Kriterien gegeben. Diese sind so gewählt, dass die hydromorphologischen Veränderungen eben nicht nur lokal begrenzt, sondern für den gesamten Wasserkörper bedeutsam sind. Gemeint ist hier z. B., dass ein von Natur aus in Mäanderschlingen und Verzweigungen fließender Strom für die Schifffahrt in einen fast geradlinigen, monotonen Kanal umgestaltet wurde.

5. Signifikant negative Auswirkungen auf die Nutzung

Für die Ausweisung eines erheblich veränderten Wasserkörpers reicht es nicht aus, dass erforderliche Verbesserungsmaßnahmen am Gewässer überhaupt Auswirkungen auf die bestehenden Nutzungen haben. Es muss auch nachgewiesen werden, dass die Auswirkungen "signifikant negativ" sind.

So wäre z. B. die Verlegung eines Wanderweges in einer als Erholungsgebiet genutzten Flussaue als Folge einer Renaturierung nicht "signifikant negativ", weil ja die Erholungsnutzung weiter möglich ist. Dagegen hätte  z. B. die Entfernung eines Deichs mit der Folge der regelmäßigen Überflutung einer Siedlung sicher eine "signifikant negative" Wirkung auf den Hochwasserschutz.

Während die ersten Prüfschritte im Bereich der Ökologie oder der Technik angesiedelt sind, erfolgt an dieser Stelle also eine Bewertung nach sozio-ökonomischen Kriterien. 

6. Prüfung von Alternativen

Nachdem die Frage geklärt ist, wie stark die notwendigen Renaturierungsmaßnahmen die bestehenden Nutzungen beeinträchtigen würden, ist der Blick auch auf die andere Seite zu werfen. Es ist zu untersuchen, ob die mit den Nutzungen verfolgten Ziele (z. B. Energiegewinnung, Güterverkehr usw.) nicht auch auf eine andere Weise erreicht werden können.

Dazu müssen fünf Aspekte geklärt werden:

  1. Gibt es eine Alternative zu der betreffenden Nutzung? Kann das angestrebte Ziel (z. B. Hochwasserschutz) auch auf andere Weise erreicht werden?
  2. Ist die Alternative technisch machbar?
  3. Ist sie insgesamt auch unter Umweltgesichtspunkten die wesentlich bessere Option?
  4. Ist ihre Umsetzung mit vertretbaren Kosten verbunden?
  5. Ist anschließend der gute ökologische Zustand erreichbar?

Nur wenn alle fünf Fragen positiv beantwortet werden können, kommt die Alternative zur bestehenden Art der Nutzung in Frage. Eine Ausweisung als erheblich veränderter Wasserkörper wäre dann nicht möglich. Stattdessen müsste die Nutzung entsprechend geändert werden.

Fazit

Die Einstufung eines Oberflächenwasserkörpers als "erheblich verändert" hat zur Folge, dass für ihn andere Bewertungsmaßstäbe und damit auch Bewirtschaftungsziele gelten.

Damit diese Ausnahmeregelung greift, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Gewässerstruktur des Wasserkörpers ist im Vergleich zum Naturzustand stark verändert.
  • Ursache für diese Veränderung ist eine von insgesamt 11 ausgewählten Nutzungsformen.
  • Der gute ökologische Zustand wird wegen der hydromorphologischen Veränderung (und nicht aus anderen Gründen) verfehlt.
  • Die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des guten ökologischen Zustands hätten signifikante negative Auswirkungen auf die Nutzung.
  • Es gibt keine technisch machbare, wirtschaftlich vertretbare und unter Umweltgesichtspunkten bessere Alternative zu der bestehenden Nutzung.

Nach Durchführung dieser Prüfungen wurden im zweiten Bewirtschaftungsplan rund die Hälfte der Oberflächenwasserkörper (49,78 %) als "erheblich verändert" ausgewiesen. Dies spiegelt die hohe Bevölkerungsdichte und damit die intensive Flächennutzung in NRW wider.

Für erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper gilt als Bewirtschaftungsziel nicht der gute ökologische Zustand, sondern das "gute ökologische Potenzial". In mehreren Forschungsvorhaben, einige davon im Auftrag des Landes NRW, musste erarbeitet werden, was dies für die Praxis bedeutet.

Die Bewertung des ökologischen Potenzials

Wasserkörper, bei denen es aufgrund bestimmter, erhaltenswerter Nutzungen nicht möglich ist, den guten ökologischen Zustand zu erreichen, können als "erheblich verändert" eingestuft werden. Doch auch sie dürfen nicht einfach "ihrem Schicksal überlassen werden". Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass für sie ein anderes Ziel gilt, das sogenannte "gute ökologische Potenzial".

Um bei der Bestandsaufnahme prüfen zu können, ob ein Wasserkörper den guten ökologischen Zustand erreicht hat, wurden verschiedene Bewertungsverfahren entwickelt. Mit ihnen kann anhand der verschiedenen biologischen Qualitätskomponenten (Fische, Makrozoobenthos, Wasserpflanzen und Algen) der ökologische Zustand eines Wasserkörpers bestimmt werden. Für die Beurteilung des guten ökologischen Potenzials mussten dagegen noch geeignete Verfahren entwickelt werden.

Was ist das "ökologische Potenzial"?

Der Begriff "ökologisches Potenzial" beschreibt die Qualität von Oberflächengewässern, die aufgrund einer erhaltenswerten Nutzung nicht den guten ökologischen Zustand erreichen können (erheblich verändert bzw. heavily modified water bodies – HMWB).

Während sich also der ökologische Zustand allein auf die natürlichen Gegebenheiten wie Klima, Geologie etc. bezieht, werden beim ökologischen Potenzial auch noch die Einflüsse der menschlichen Nutzung einbezogen. Das maximal erreichbare Bewirtschaftungsziel für einen erheblich veränderten Wasserkörper ist also nicht nur durch natürliche Bedingungen begrenzt, sondern auch durch die Veränderungen, die sich aufgrund bestimmter Nutzungen ergeben.

Dieses Kriterium gilt in gleicher Weise für künstliche Wasserkörper, die also vollständig vom Menschen geschaffen wurden (artificial water bodies – AWB).

Wie wird es bewertet?

Wie der ökologische Zustand (bei natürlichen Wasserkörpern – NWB) wird auch das ökologische Potenzial (bei HMWB und AWB) in fünf Stufen bewertet. Das Bewirtschaftungsziel für erheblich veränderte Wasserkörper ist das "gute ökologische Potenzial", also die zweite der fünf Bewertungsstufen.

Die Bewertungsstufen des ökologischen Zustands und des ökologischen Potenzials

Natürliche Wasserkörper

(NWB)

Künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper

(AWB, HMWB)

sehr guter ökologischer Zustand

Alle Qualitätskomponenten sind annähernd dem Gewässertyp entsprechend ausgebildet. 

höchstes ökologisches Potenzial

Die biologischen Qualitätskomponenten sind annähernd dem Gewässertyp entsprechend ausgebildet, der am ehesten dem Wasserkörper mit den gegebenen Nutzungen entspricht.

guter ökologischer Zustand

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen nur geringe vom Menschen verursachte Abweichungen an.

gutes ökologisches Potenzial

Die Werte für die  biologischen Qualitätskomponenten weichen geringfügig von den Werten ab, die für das höchste ökologische Potenzial gelten. 

mäßiger ökologischer Zustand

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen nur mäßige vom Menschen verursachte Abweichungen an.

mäßiges ökologische Potenzial

Die Werte für die  biologischen Qualitätskomponenten weichen mäßig von den Werten ab, die für das höchste ökologische Potenzial gelten. 

unbefriedigender ökologischer Zustand

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen stärkere vom Menschen verursachte Abweichungen an. Die Lebensgemeinschaften weichen erheblich von der natürlichen Situation des Gewässertyps ab.

unbefriedigendes ökologisches Potenzial

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen stärkere vom Menschen verursachte Abweichungen vom höchsten ökologischen Potenzial an. Die Lebensgemeinschaften weichen erheblich von der natürlichen Situation des Gewässertyps ab, der am ehesten dem Wasserkörper mit den gegebenen Nutzungen entspricht.

schlechter ökologischer Zustand

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen erhebliche vom Menschen verursachte Abweichungen an. Große Teile der Lebensgemeinschaften des Gewässertyps fehlen vollständig.

schlechtes ökologisches Potenzial

Die biologischen Qualitätskomponenten zeigen erhebliche vom Menschen verursachte Abweichungen vom höchsten ökologischen Potenzial an. Große Teile der Lebensgemeinschaften des Gewässertyps, der am ehesten dem Wasserkörper mit den gegebenen Nutzungen entspricht, fehlen vollständig.

In mehreren Forschungsprojekten, die insbesondere vom Land NRW angeregt und finanziert wurden, wurden geeignete Bewertungsverfahren entwickelt, mit denen anhand der im Monitoring ermittelten Daten über die biologischen Qualitätskomponenten das ökologische Potenzial ermittelt wird.

Als Grundlage für die Bewertung wurden die erheblich veränderten Wasserkörper zunächst in ähnlicher Weise gruppiert, wie es für die natürlichen Gewässer erfolgt ist. Analog zu den Fließgewässertypen wurden sogenannte "HMWB-Fallgruppen" beschrieben, die sich aus der Kombination von natürlichen Fließgewässertypen mit bestimmten Nutzungseinflüssen ergeben.

Theoretisch ergeben sich aus den mehr als 20 Fließgewässertypen in Verbindung mit den 11 Nutzungsarten weit über 200 Fallgruppen. Die Vielzahl der Fließgewässertypen konnte aber zu acht Typengruppen zusammengefasst werden (z. B. "Tieflandbäche", "Mittelgebirgsflüsse"). Somit ergaben sich zunächst 88 theoretische Fallgruppen (8 x 11). Für die 41 wichtigsten HMWB-Fallgruppen wurde eine Be­schreibung vom höchsten und guten öko­logischen Potenzial vorgenommen. Dazu wurde wissenschaftlich untersucht, wie die Lebensgemeinschaften im Wasser unter den Randbedingungen einer Fallgruppe beschaffen sind.

Diese Untersuchungen wurden bisher für die beiden Qualitätskomponenten Fische und Makrozoobenthos durchgeführt, da diese Artengruppen besonders auf hydromorphologische Veränderungen reagieren.

Mithilfe dieser Ergebnisse konnten die Bewertungsverfahren für die beiden Qualitätskomponenten Fische und Makrozoobenthos so angepasst werden, dass bei gegebener HMWB-Fallgruppe, z. B. anhand der Daten einer Befischung, das ökologische Potenzial bestimmt werden kann.

Die Abbildung besteht aus 6 Fotos. 2 zeigen natürliche Gewässer, eins davon mit Totholz im Gewässer, 2 zeigen HMWB-Gewässer mit schnurgeradem Gewässerverlauf und 2 zeigen künstliche Wasserkörper, hier Kanäle einmal mit Schiff.

Erheblich veränderte, künstliche und natürliche Oberflächenwasserkörper

Die EG-WRRL kennt drei Arten von Oberflächenwasserkörpern: natürliche, künstliche und erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper. Für ihre Bewertung gelten unterschiedliche Standards. 

Die Oberflächenwasserkörper

Künstliche Oberflächenwasserkörper sind Wasserkörper, die sich auf künstliche Gewässer beziehen. Künstliche Gewässer sind stets von Menschenhand geschaffen, dort wo vorher kein Gewässer vorhanden war.

In Nordrhein-Westfalen gehören vor allem die Schifffahrtskanäle und die meisten Seen zu den künstlichen Wasserkörpern sowie einige weitere Gewässer, wie die Fossa Eugeniana. Es ist zu beachten, dass Gewässer, deren Lauf großräumig verlegt wurde, nicht als künstlich gelten. Die weit verbreitete englische Fachbezeichnung für künstliche Wasserkörper ist „artificial water body“, abgekürzt AWB.

Alle nicht vom Menschen geschaffenen Oberflächenwasserkörper gelten grundsätzlich als natürliche Oberflächenwasserkörper (englisch "natural water body", NWB). Für sie gilt das Bewirtschaftungsziel "guter ökologischer Zustand", es sei denn, sie sind als "erheblich verändert" (s. u.) eingestuft.

Was sind erheblich veränderte Wasserkörper?

Nordrhein-Westfalen ist ein dicht besiedeltes Land mit intensiver Flächennutzung. Um die Landnutzung zu ermöglichen, wurden in der Vergangenheit umfangreiche Eingriffe in die Fließgewässer vorgenommen. Dazu gehören Laufverlegungen, Begradigungen und Befestigungen der Ufer, aber auch Bauwerke für Wasserstandsregulierung oder Wasserkraftnutzung. Dadurch wurde die natürliche Gestalt der Gewässer an vielen Stellen erheblich verändert. Dies hatte und hat auch heute noch Auswirkungen auf die Wasserlebewesen und damit auf den ökologischen Zustand. Viele dieser Veränderungen können nicht oder nur teilweise zurückgenommen werden, da sie für die Aufrechterhaltung der Nutzungen auch heute noch notwendig sind. An solchen Gewässern kann somit das grundsätzliche Bewirtschaftungsziel, der gute ökologische Zustand, nicht erreicht werden, ohne dass es zu nachteiligen Folgen für die bestehenden Nutzungen kommt.

Die EG-WRRL berücksichtigt diese Einschränkung, indem sie es ermöglicht, betroffene Oberflächenwasserkörper als „erheblich verändert“ auszuweisen. Die englische Fachbezeichnung dafür ist „heavily modified water body“, abgekürzt HMWB. Für sie gilt ein abweichendes Bewirtschaftungsziel, das "gute ökologische Potenzial". Wie für den ökologischen Zustand wird auch hier die Tier- und Pflanzenwelt des Gewässers untersucht und bewertet. Es gelten aber andere, gegenüber dem ökologischen Zustand abgeschwächte Anforderungen, die den Auswirkungen der faktisch irreversiblen Gewässerveränderung Rechnung tragen.

In jedem Bewirtschaftungszyklus muss bei der Bestandsaufnahme überprüft werden, ob die Ausweisung von Oberflächenwasserkörpern als „erheblich verändert“ noch Gültigkeit hat. Es muss also überprüft werden, ob die  Gewässernutzung, die im vorherigen Zyklus die Einstufung begründet hatte, noch fortbesteht und ob sie weiterhin einer Umsetzung von Maßnahmen zur Erreichung des guten Zustands entgegensteht. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, muss die Ausweisung aufgehoben werden.

Für die Vorgehensweise zur Ausweisung von HMWB und AWB hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) eine bundesweite Handlungsanleitung entwickelt, die auch in Nordrhein-Westfalen angewandt wurde. Verantwortlich für die Überprüfung ist das LANUV in Abstimmung mit den jeweiligen Bezirksregierungen.

Für die Bewertung der erheblich veränderten und künstlichen Wasserkörper liegt ein Handbuch zur Bewertung und planerischen Bearbeitung als Version 3 mit Stand März 2015 vor. Das im Rahmen verschiedener LAWA-Projekte entwickelte einheitliche Bewertungsverfahren, wird in diesem Handbuch dokumentiert. Es liefert die Grundlage für eine bundesweit vergleichbare Bewertung und planerische Bearbeitung von HMWB und AWB.

Handbuch zur Bewertung und planerischen Bearbeitung von erheblich veränderten und künstlichen Wasserkörpern PDF, 9,34 MB

Die komplette Dokumentation zum Handbuch kann heruntergeladen werden unter: LAWA Länderfinanzierungsprogramm -> im Abschnitt "Projekte des Ausschusses Oberflächengewässer und Küstengewässer (AO)" unter der Weiterleitung "O 1.13 Abschlussprojekt zur Bewertung von HMWB/AWB-Fließgewässern und Ableitung des HÖP/GÖP".

Wie werden künstliche Wasserkörper bewertet?

Für die ökologische Bewertung der künstlichen Wasserkörper gelten die gleichen Vorgaben, wie sie für die erheblich veränderten Wasserkörper (HMWB) beschrieben wurden. Im Unterschied zu den HMWB muss bei ihnen allerdings nicht überprüft werden, ob sie weiterhin "künstlich" sind.

Eine umfassende Handlungsanleitung, die als Muster für die Vorgehensweise zur Bewertung des ökologischen Potenzials für alle 80 künstlichen Wasserkörper in NRW angesehen werden kann, ist in folgendem Gutachten beschrieben: Gutachten zur ökologischen Entwicklung des Nordkanals und anderer künstlicher Wasserkörper in NRW