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Strahlwirkungskonzept

Das Foto zeigt einen Bagger an einem neu hergestellten Gewässerdurchlass unter einem Wirtschaftsweg im Wald

Hydromorphologische Maßnahmen

Fast alle Gewässer in Nordrhein-Westfalen weisen negative Veränderungen ihrer Gewässerstruktur (Hydromorphologie) auf. Die hydromorphologischen Maßnahmen dienen dem Zweck, das Gewässer wieder in einen Zustand zu versetzen, der dem ursprünglichen Gewässertyp nahe kommt. Es handelt sich somit um Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur, der Durchgängigkeit und der Wasserführung.

Das Strahlwirkungskonzept

Die Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur, der Durchgängigkeit und der Wasserführung sollen möglichst kosteneffektiv sein. Eine zentrale Grundlage dafür ist das in NRW entwickelte "Strahlwirkungskonzept". In mehreren vom Land finanzierten Forschungsvorhaben konnte gezeigt werden, dass es für die Erreichung der gewünschten ökologischen Gewässerqualität (guter ökologischer Zustand oder gutes ökologisches Potenzial) nicht unbedingt erforderlich ist, Gewässer auf ihrer vollen Länge zu renaturieren.

Entwickelt man stattdessen eine Abfolge aus sehr hochwertigen Gewässerstrecken, die mit Gewässerabschnitten verbunden werden, die mit geringerem Aufwand die notwendige Vernetzung garantieren, kann das Bewirtschaftungsziel ebenfalls erreicht weden – mit deutlich geringerem Aufwand.

Außerdem gibt es auch zahlreiche Gewässerabschnitte, in denen eine vollständige Entwicklung zum naturnahen Referenzzustand überhaupt nicht möglich ist. Dies betrifft beispielsweise innerörtliche Gewässerabschnitte oder Gewässer, in denen die bestehenden Nutzungen nur geringfügige Verbesserungen der Gewässerstruktur zulassen.

Ausführliche Informationen zum Strahlwirkungskonzept finden Sie hier.

In den letzten Jahren sind bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur umgesetzt worden, an kleinen, aber auch an größeren Gewässern. Gute Beispiele finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Flussgebietseinheiten.

Maßnahmenübersichten Wo müssen Gerwässerstrukturen verbessert werden?

Nach § 74 LWG sind die Träger der Pflichten zur Gewässerunterhaltung und des –ausbaus dazu verpflichtet, eine Übersicht aller Maßnahmen zu erstellen, die zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele nach §§ 27 bis 31 und 47 WHG notwendig sind. Diese werden Maßnahmenübersichten genannt.

Vorläufer der Maßnahmenübersichten waren vor allem die Umsetzungsfahrpläne, in denen die notwendigen Aktionen zur Verbesserung der Gewässerstruktur dargelegt werden. Diese wurden in einem ausführlichen und strukturierten Abstimmungsprozess zwischen den Unterhaltungspflichtigen, den Fachbehörden und der Öffentlichkeit (z. B. aus der Landwirtschaft oder dem Naturschutz) entwickelt. Sie stellen daher den Ausgangspunkt für die Bearbeitung der Maßnahmenübersichten dar. Die Maßnahmenübersichten aktualisieren die Informationen aus den Umsetzungsfahrplänen und fassen diese zusammen. Des Weiteren detaillieren die Maßnahmenübersichten die Vorgaben des Maßnahmenprogramms der hydromorphologischen Maßnahmen nach EG-WRRL. Sie beschreiben für eine Planungseinheit oder Anteile davon die erforderlichen Funktionselemente und den Umfang der Programmmaßnahmen, die für die Erreichung der Bewirtschaftungsziele notwendig sind.

Die Ausarbeitung der Maßnahmenübersichten erfolgte durch die Unterhaltungspflichtigen auf Grundlage des „Leitfaden zur Erstellung von Übersichten gem. § 74 LWG". Neben der Abstimmung zwischen den Maßnahmenträgern wurde auch die Erarbeitung der Maßnahmenübersichten durch die Bezirksregierungen fachlich unterstützt.

Wie werden die Maßnahmen finanziert?

Maßnahmen zur ökologischen Gewässerentwicklung bilden einen Schwerpunkt des Maßnahmenprogramms. Die dabei entstehenden Kosten sind im Grundsatz von den Gewässerunterhaltungspflichtigen zu tragen. Das Land unterstützt sie durch Fördermittel von bis zu 80 %. Der Finanzbedarf für diese Maßnahmen wird aktuell auf etwa 2,7 Mrd. Euro geschätzt – verteilt auf einen Zeitraum von 17 Jahren (2010-2027). Er wird fast vollständig aus den Einnahmen des Wasserentnahmeentgelds (WasEG) gedeckt.  Außerdem werden, wenn möglich, EU- und Bundesmittel herangezogen. Aus Landesmitteln werden pro Jahr etwa 80 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Zur Finanzierung der  Eigenanteile können Beiträge aus naturschutzrechtlich erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingesetzt werden. Außerdem ist eine Umlage des verbliebenen Eigenanteils über Gebühren grundsätzlich möglich.

Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt vom Titelblatt des LANUV-Arbeitsblattes mit dem Titel „Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzept in der Planungspraxis“, LANUV-Arbeitsblatt 16, und drei Fotos von einem renaturierten Abschnitt der Lippe zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Das erste Foto ist kurz nach Fertigstellung der Renaturierung aufgenommen worden, der Uferbereich ist noch bewuchslos, im Gewässer ist eine Schotterbank zu erkennen. Im zweiten Foto ist der Uferbereich bereits begrünt, an der rechten Uferseit

Das Strahlwirkungskonzept

Mit den grundlegenden Arbeiten des Deutschen Rats für Landespflege (2008) wurde erstmals für Gewässer der "Strahlwirkungsansatz" beschrieben. Er ist im Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der WRRL in NRW verankert. Seine Anwendung erfordert eine gewässersystemare Betrachtung.

Kompensation von Strukturdefiziten in Fließgewässern durch Strahlwirkung

Der Deutsche Rat für Landespflege e. V. erstellte als Ergebnis des Projektes „Potenziale der Fließgewässer zur Kompensation von Strukturdefiziten ('Strahlwirkung')“  die gleichnamige Veröffentlichung. Das Projekt wurde gefördert durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW und die Lennart- Bernadotte-Stiftung.

In dem Projekt sollte untersucht werden, wie im Sinne einer Strahlwirkung Gewässerbiozönosen in Restriktionsbereichen entkoppelt von einer lückenlosen Strukturverbesserung in dem betreffenden Bereich entwickelt werden können. So könnten gezielte Maßnahmen zur Zustandsverbesserung auf der Grundlage funktionaler ökosystemarer Zusammenhänge über den Ort der eigentlichen Maßnahme hinaus wirken und einen Beitrag zur Kosteneffizienz leisten. Die Anwendbarkeit des Naturschutzmodells „Trittsteinkonzept“ auf die Strahlwirkung von Maßnahmen an Fließgewässern als Parallele zum Biotopverbund sollte geprüft werden.

Eine Grafik verdeutlicht das Konzept, zwischen den Strahlursprüngen befinden sich Gewässerstrecken, die als Strahlweg bezeichnet werden. Zu sehen ist eine blaue, sich von links nach rechts schlängelnde Linie, die das Gewässer darstellen soll. 4 Bereiche sind mit hellblauen Kästchen hinterlegt. Hier sind teilweise Nebenarme eingezeichnet und grüne Elemente. Diese Felder sind die Strahlursprünge. Dazwischen befindet sich einmal ein Strahlweg ohne weitere grafische Elemente, einmal ein Strahlweg mit Trittstein
Schematische Darstellung der Funktionselemente des Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzeptes (nach DRL 2008) / © LANUV NRW
Ergebnisse
  • Die Strahlwirkung in gewässerstrukturell veränderten Gewässern beruht auf der aktiven oder passiven Migration von Tieren und Pflanzen im Gewässer oder Gewässerumfeld. 
  • Sie indiziert den guten ökologischen Zustand oder das gute ökologische Potenzial im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie in einem Fließgewässerabschnitt durch die biologischen Qualitätskomponenten, obwohl die Gewässerstruktur (noch) nicht optimal ist.
  • Ausgangsbereich der Strahlwirkung ist ein naturnaher Gewässerabschnitt, der Strahlursprung, der sich durch eine dem Gewässertyp entsprechende stabile, arten- und individuenreiche Biozönose auszeichnet, sich selbst also in sehr gutem oder gutem Zustand befindet. 
  • In Abhängigkeit vom Gewässertyp muss der Strahlursprung eine Mindestlänge haben bzw. diese Länge muss über die Maßnahmenplanung gesichert werden. 
  • Strahlursprünge müssen nicht unbedingt im Hauptlauf liegen, sondern können in einmündenden Nebengewässern, Altwässern oder anderen Gewässerbereichen (z. B. Buhnenfelder) liegen.
  • Der sich anschließende Strahlweg ist die Gewässerstrecke, auf der sich Organismen vom Strahlursprung ausgehend passiv oder aktiv fortbewegen. Besiedlung ist hier in der Regel nicht möglich, es findet lediglich eine Migration statt. 
  • Trittsteine, also kleine, strukturreiche Gewässerabschnitte mit guten Habitateigenschaften, können zumindest zeitweise besiedelt werden und verlängern so den Strahlweg. 
  • Die Strahlwirkung kann das Mehrfache der Ausdehnung eines Strahlursprungs betragen.
  • Noch bestehende Wissenslücken zur Strahlwirkung sind durch eine weitere Vertiefung der grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung zu schließen, um die fundierte Weiterentwicklung des fachlichen Regelwerks zu unterstützen.
  • Gewässerentwicklung im ökologischen Sinn und im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie kann keine sektorale Aufgabe sein, sondern ist in die Planungsprozesse der Raumordnung, der Landespflege und des Städtebaus einzubinden.
  • Bei der Planung von Renaturierungsmaßnahmen für Gewässer müssen benachbarte Gewässerabschnitte oder Wasserkörper mitberücksichtigt werden. 
  • Gezielte, räumlich begrenzte Maßnahmen zur Ausdehnung und Vernetzung von Lebensräumen und eine darauf ausgerichtete Gewässerunterhaltung können nach Einschätzung des Deutschen Rats für Landespflege zur flächendeckenden Verbesserung des ökologischen Zustands führen. 
  • Der Mitteleinsatz kann optimiert werden, indem die Maßnahme im umzugestaltenden Abschnitt auf die erforderliche Mindestgröße zur Aktivierung der Strahlwirkung beschränkt bleibt, wenn ergänzend unterstützende Maßnahmen (z. B. Wegnahme von Barrieren oder Hinzufügen von Trittsteinen) auf dem Strahlweg im Fließgewässersystem umgesetzt werden.
  • Sogar „harte Restriktionsbereiche“ sind demnach möglicherweise für eine Verbesserung des ökologischen Zustands zugänglich, indem ein hierauf wirkender Strahlursprung geschaffen oder verbessert wird und im betrachteten Restriktionsbereich Elemente für den Strahlweg eingebracht werden.

Arbeitshilfe Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzept in der Planungspraxis

Aufbauend auf diesen Arbeiten wurde im Auftrag des LANUV NRW ein Leitfaden zur Aufstellung von Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzepten entwickelt. Er beschreibt die Anforderungen an die Funktionselemente (Strahlursprung, Strahlweg, Trittstein) im Gewässer, die für die effiziente Nutzung von Strahlwirkungseffekten notwendig sind.

Die als Arbeitshilfe durch das LANUV NRW publizierten Ergebnisse richten sich an alle, die strukturelle Verbesserungen an Fließgewässern planen bzw. in entsprechende Planungen eingebunden sind. Es werden zunächst die verwendeten Begriffe und das Ausbreitungsverhalten der biologischen Qualitätskomponenten erläutert. Als wesentlicher Kern enthält die Arbeitshilfe tabellarische Zusammenstellungen der Mindestanforderungen an Länge und Ausstattung der Strahlwirkungselemente sowie an stoffliche und hydraulisch-hydrologische Rahmenbedingungen, deren Einhaltung die Zielerreichung wahrscheinlich macht. Eine ausführliche Beschreibung des Planungsprozesses mit einigen Beispielen ergänzt die Arbeitshilfe.

Ergebnisse

  • Neben einer artenreichen Besiedlung von Strahlursprüngen wirken auch abiotische Faktoren wie z. B. kühle Wassertemperaturen, eine besonders gute Wasserqualität oder kleinräumige, verschleppte Lebensraumstrukturen positiv auf unterhalb gelegene hydromorphologisch schlechter ausgestattete Abschnitte. 
  • Es werden aber auch negative Auswirkungen von schlechten Gewässerabschnitten auf bessere Strecken (Fern- und Nachbarschaftswirkung) beschrieben. 
  • Die hohe Bedeutung einer ganzheitlichen, gewässersystemaren Betrachtung vorhandener und benötigter ökologischer Potenziale wird durch die Untersuchungen untermauert.
  • Differenzierte Kenntnisse über die Strahlwirkung in einem Gewässersystem ermöglichen eine zielgenaue und effiziente Beplanung der Gewässer hin zum geforderten guten ökologischen Zustand bzw. zum guten ökologischen Potenzial. 
  • Die in NRW vorherrschenden Tieflandgewässertypen wurden konkret auf die dort zu beobachtende Strahlwirkung untersucht, da für diese Gewässer bisher kaum Literatur und/oder Daten zur Strahlwirkung vorlagen. 
  • Neben den Erkenntnissen aus diesen Messungen wurden den Angaben im Leitfaden weitere Projektergebnisse, z. B. aus Untersuchungen an der Eifel-Rur, sowie eine ausführliche Literaturrecherche zugrunde gelegt. 
  • Alle Zwischenergebnisse wurden durch umfassende statistische Auswertungen des Datenbestandes aus dem ersten Monitoringzyklus in Verbindung mit Daten zur Gewässerstruktur, zur Durchgängigkeit und zur Landnutzung verifiziert. Diese Basis für die im vorliegenden Leitfaden spezifizierten Anforderungen an Strahlursprünge und Strahlwege wird in einem gesonderten Projektbericht veröffentlicht.