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Wasserrückhalt / Retention

In den vergangenen Jahrhunderten gingen viele Flächen mit günstigen Speicher- und Sickereigenschaften dem natürlichen Wasserrückhalt verloren. Prozesse wie der Ausbau und die Regulierung der Flüsse, Deichbauten und die Entwicklung von Siedlungs- und landwirtschaftlich genutzten Flächen entlang der Gewässer führten zu einem verschärften Abflussverhalten und größeren Hochwasserwellen. Als Kompensierung der abgekoppelten und versiegelten Speicher- und Sickerflächen wurden Entwässerungs- und Abwassersysteme errichtet, die angesichts erhöhter Abflussmengen schnell an ihre Grenze kommen. Die noch bestehenden natürlichen Rückhalteflächen und unversiegelten Freiflächen erreichen bei Hochwasserereignissen schnell ihr Aufnahmevolumen, sodass die anfallenden Wassermassen ohne große Zeitverzögerung an die Gewässer abgegeben werden. Hierdurch verschärft sich die Hochwassersituation.

Die Rückgewinnung von Flächen des Wasserrückhalts in den Flusseinzugsgebieten kann die Entstehung und die Intensität von Hochwasser vermindern. Die oberste Zielsetzung muss daher sein, den Wasserrückhalt und die Wasserspeicherung zu fördern. Einerseits in der Fläche, um den Oberflächenabfluss zu verringern und andererseits in Gewässer und Aue, um den Hochwasserabfluss zu verzögern bzw. zurückzuhalten.

Maßnahmen des Wasserrückhalts sind u. a. Feuchtgebiete, Moore und Gewässerläufe zu renaturieren und in einen natürlichen Zustand zurückzuführen. Zudem können abflusshemmende Strukturelemente in der Fläche (künstliche Gelände-und Vegetationsformen), die Land- und Forstwirtschaft, reduzierte Flächenversiegelung und eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung einen wichtigen Beitrag zum Wasserrückhalt leisten.

Wasserrückhalt in der Fläche

Ein Großteil der Fläche in Nordrhein-Westfalen wird landwirtschaftlich genutzt. Dadurch ergibt sich ein hohes Potenzial, durch eine angepasste Bodenbewirtschaftung den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern und gleichzeitig Erosion vorzubeugen. Durch eine konservierende Bearbeitung der Böden, beispielsweise mittels Mulch bzw. Direktsaat, bleibt eine Mulchdecke erhalten, die einer Verschlammung entgegenwirkt und eine gute Versickerung fördert.

Ebenfalls abflusshindernd ist die hangparallele Pflugbearbeitung der Ackerflächen. Nach einem Regenereignis konzentriert sich das an der Bodenfläche ablaufende Regenwasser überwiegend in den durch den Pflug erzeugten Furchen. Bei einer hangparallelen Bewirtschaftung kann das Wasser besser versickern und fließt nicht direkt senkrecht zum Hang ab. Demselben Prinzip folgen abflusshemmende Strukturelemente wie natürliche und künstliche Gelände- und Vegetationsformen. Gräben, Wälle, kleinere Senken und Mulden sowie Böschungen, Raine, Feldhecken und Feldgehölze können die Geländeoberfläche strukturieren und aufrauen. Dadurch können Oberflächenabflüsse verzögert, Abflussganglinien unterbrochen bzw. abgelenkt und Niederschlagswasser bestenfalls zwischengespeichert und zur Verdunstung und Versickerung gebracht werden.

In der Forstwirtschaft bietet die Aufforstung bzw. Pflege und Erhalt standortgerechter Wälder mit allen Vegetationsformen große Potenziale, Niederschlagswasser großflächig in den Einzugsgebieten zurückzuhalten und dadurch der Entstehung von Überschwemmungen vorzubeugen. Durch die optimalen Bedingungen für Verdunstung und Versickerung von Niederschlägen in gesunden Wäldern kommt es selbst bei stärkeren Niederschlägen zu fast keinem Oberflächenabfluss.

Wasserrückhalt im und am Gewässer

Neben dem Wasserrückhalt in der Fläche ist der natürliche Wasserrückhalt im und am Gewässer ein zentraler Aufgabenbereich, um dem Hochwasser die Ausbreitung in die Aue zu ermöglichen und dadurch den Hochwasserverlauf zu dämpfen. Mittels Renaturierungsmaßnahmen an Gewässerläufen sowie der Wiedergewinnung von Retentionsflächen entlang der Gewässer kann der Wasserrückhalt erhöht werden.

Die Entwicklung von Überflutungsflächen durch Renaturierungsmaßnahmen hat gleichzeitig den Synergieeffekt, dass neben dem Hochwasserschutz auch der Naturschutz gefördert wird. Mittels der naturnahen Gestaltung verbauter und begradigter Gewässer durch Rückführung in ein natürliches Gewässerbett und die Schaffung sowie Wiederanbindung natürlicher Überschwemmungsflächen wird die Vernetzung aquatischer und terrestrischer Ökosysteme verbessert und die Ufer- und Auenvegetation als Grundlage für einen artenreichen Lebensraum gefördert.

Gemeinden, Gemeindeverbände, Kreise, sondergesetzliche Wasserverbände und Verbände können Zuwendungen für Maßnahmen zur naturnahen Entwicklung der Gewässer und zum Hochwasserschutz erhalten. Förderfähig sind:

  • Konzepte zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern (KNEF),
  • Maßnahmen zur ökologischen Gewässerentwicklung,
  • Maßnahmen zur Durchgängigkeit der Gewässer,
  • Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL),
  • Maßnahmen zum Hochwasserschutz und
  • Grunderwerb für o. g. Projekte

Die entsprechenden Förderprogramme werden vom Land Nordrhein-Westfalen angeboten. Die Bezirksregierungen prüfen die Anträge und bewilligen Fördergelder für die Projekte im jeweiligen Regierungsbezirk gemäß der Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen der Wasserwirtschaft für das Hochwasserrisikomanagement und zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (Förderrichtlinie Hochwasserrisikomanagement und Wasserrahmenrichtlinie - FöRL HWRM/WRRL, Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 11. April 2017)

Anlagen zur Hochwasserrückhaltung

Ebenfalls als Maßnahme des Wasserrückhalts gelten technische Anlagen wie Hochwasserrückhaltebecken, Talsperren und Hochwasserpolder.

Diese Anlagen dienen dem Hochwasserschutz indem sie gezielt bestimmte Wassermengen aufnehmen und zwischenspeichern können. Dadurch wird die Wasserführung flussabwärts vorübergehend reduziert und die Hochwasserwelle gedämpft. Nach einem Hochwasserereignis wird das zwischengespeicherte Wasser wieder abgegeben. Diese Maßnahmen haben primär für die Unterlieger eine Hochwasserschutzwirkung.

Weitere Informationen zu den Anlagen der Hochwasserrückhaltung erhalten Sie unter Technischer Hochwasserschutz.

Regenwassermanagement

Durch die Versiegelung und Verdichtung von Flächen im Rahmen neuer Bebauungen kann weitaus weniger Wasser versickern und verdunsten als es vergleichsweise auf natürlichen Flächen geschieht. Der Großteil des Regenwassers fließt oberflächig ab oder wird direkt in die Kanalisation eingeleitet. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass mit zunehmender Flächenversiegelung die anfallenden Wassermengen in Kanalisation und Kläranlage mit entsprechend steigenden Kosten verbunden sind und der direkte Oberflächenabfluss ebenfalls zur Hochwasserbildung beiträgt.

Die Problematik wird sich angesichts des Klimawandels wahrscheinlich noch verschärfen. Die Zielsetzung ist daher, einen naturnahen Umgang mit dem Regenwasser im Rahmen eines Regenwassermanagements anzustreben, das

  • die natürliche Verdunstung und
  • das Versickerungspotenzial erhöht und fördert sowie
  • den Oberflächenabfluss reduziert.

Für einen naturnahen Umgang mit Regenwasser gib es diverse Möglichkeiten, die kommunal als auch auf dem eigenen Grundstück umgesetzt werden können. Dies sind zum Beispiel:

  • dezentrale Maßnahmen zur Regenwasserrückhaltung (u. a. Gründächer, Regentonnen, Zisternen),
  • Maßnahmen zur oberflächigen Versickerung (u. a. Entsiegelung, versickerungsfähige Pflasterung),
  • Maßnahmen des oberirdischen Ableitens (u. a. Mulden, bewachsene Gräben und Gerinne) und
  • Maßnahmen zur abflussverzögernden Ableitung (u. a. Regenrückhaltebecken).

Bei der Maßnahmenumsetzung ist zu beachten, dass Regenwasser, welches von Dächern oder anderen befestigten Flächen abläuft, Schadstoffe enthalten kann. Je nach Verunreinigung kann eine entsprechende Vorreinigung nötig sein (z. B. mittels Absetzbecken oder Versickerung durch Bodenschichten) bzw. es ist von einer Bodenversickerung oder Gewässereinleitung abzuraten.

Grundlage zum ordnungsgemäßen Umgang mit Regenwasser sind neben dem Landeswassergesetz v. a. das DWA-Arbeitsblatt A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“ und das DWA-Merkblatt M 153 „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser“.

Ein natürlicher Umgang mit Regenwasser kann sich für Haus- und Gewerbeeigentümer durchaus lohnen, z. B. durch günstigere Abwassergebühren, durch eine Befreiung von der Regenwasser- bzw. Versiegelungsabgabe oder durch einen Zuschuss von Ihrer Gemeinde.

Regenwassernutzung

Der tägliche Wasserbedarf in Haushalt, Industrie und Gewerbe wird überwiegend aus dem öffentlichen Trinkwassernetz bedient, wobei knapp ein Drittel des durchschnittlichen Wasserbedarfs auch durch Regenwasser gedeckt werden könnte. Insbesondere zur Bewässerung, der Autopflege und Toilettenspülung kann Regenwasser verwendet werden.

Regenwasser, welches zum Eigengebrauch genutzt werden soll, wird in der Regel von Dachflächen aufgefangen und in Zisternen gespeichert. Auch bei der Regenwasserspeicherung und Nutzung ist die mögliche Schadstoffbelastung von Bedeutung. Regenwasser, das durch stark verschmutzten Dächer oder anderweitige Quellen belastet ist, eignet sich nicht zur Wasserspeicherung. Für die bauliche und betriebliche Ausführung einer Regenwassernutzungsanlage sollten die DIN 1989 (Regenwassernutzungsanlagen) sowie ggf. ein Fachbetrieb hinzugezogen werden.